Auf Langstrecke ins Unterallgäu mit 40 KWh-Batterie und hohem Luftwiderstand

13. August 2019 | Mobilität

Am 13.08.2019 besuchte die VRD Stiftung auf Anfrage das Bildungszentrum Unterallgäu südlich von Memmingen, um Mitarbeitern/innen vor Ort die Energie-Bildungsprogramme für Sekundarstufe und Grundschule vorzustellen. Zu bewältigen war dabei eine Entfernung von etwa 600 km ab Heidelberg. Diese Langstrecke sollte nun erstmals voll-elektrisch und nicht mit dem Hybridfahrzeug der Stiftung durchgeführt werden.

Zur Verfügung steht – dank Unterstützung durch die Naturstrom Stiftung und zuvor jahrelang durch Nissan Deutschland – ein Nissan eNV 200 Evalia, der eher für Kurzstrecken in der näheren Umgebung konzipiert wurde: Mit einem eher ungünstigen Luftwiderstand hat der Kastenwagen eine mittelgroße Batterie mit 40 kWh. Die Geschwindigkeit auf der Autobahn und die Topographie der Strecke bestimmen unter diesen Bedingungen in erheblichem Maß die Reichweite des Fahrzeugs und die Anzahl notwendiger Stopps zum elektrischen Zwischenladen.

Los ging es frühmorgens am Stiftungssitz in Heidelberg, wo die Batterie an der hauseigenen Wallbox bereits maximal gefüllt und das Fahrzeug mit den Bildungsmaterialien beladen war:

Aus Mangel bisheriger Erfahrung wurde zunächst nicht schneller als 100 km/h gefahren. Damit konnte der erste anvisierte Zwischenhalt zum kostenfreien Aufladen bei Aldi Süd in Kirchheim unter Teck gut erreicht werden (auch andere Handelsketten bieten derzeit noch kostenfreies Laden an einigen Standorten an, wie zum Beispiel Kaufland, Lidl oder Ikea). Bisher konnten wir allerdings keine App finden, die anzeigt ob der Anschluss für das eigene Auto – in unserem Fall Chademo – gerade frei oder belegt ist. Hinzu kommt, dass die meisten Schnellladesäulen zwar über die gängigen CCS-Stecker als auch Typ Zwei und Chademo verfügen, manche der Stationen zeitgleich jedoch nur ein Auto laden können. So kann es vorkommen, dass – obwohl der eigene Anschluss nicht belegt ist – man trotzdem warten muss bis das gerade ladende Fahrzeug abgekoppelt wurde. Das dauerte in unserem Fall etwa 20 nicht eingeplante Minuten. Wie gesagt, dieses Problem hat man nicht bei allen Säulen. Aldi Süd hat auch nur einen Parkplatz für E-Fahrzeuge vor ihrer Ladestation markiert, obwohl diese die genannten drei Anschlüsse anbietet.

So konnte beim ersten Zwischenstopp innerhalb einer halben Stunde planmäßig von 30 % auf 80 % aufgeladen werden, bevor die Fahrt über das Mittelgebirge mit hoher Reliefenergie weiter ging. Und auch der nächste Ladestopp der Lechwerke bei Illertissen wurde bei strömenden Regen gut erreicht.

Aufgehalten hat auf der Hinfahrt übrigens weniger das mit viel Puffer eingeplante Zwischenladen, sondern mehrere lang andauernde Staus. Angekommen im Bildungszentrum Unterallgäu wurde das Material entladen und zur Präsentation aufgebaut (siehe Bild ganz oben), während das Elektrofahrzeug an der normalen Haushaltssteckdose wieder etwas Strom aufnahm.

Auf der Rückfahrt wurde in Ulm übernachtet und währenddessen nahe des Hotels an einer Schnellladestation aufgeladen. Überraschenderweise war das Fahrzeug am nächsten Morgen nicht vollständg geladen, sondern wies nur eine Reichweite von etwa 190 km auf. Ob die Ladestation nach einer gewissen Zeit den Betrieb einstellte oder es eine andere Ursache gibt bleibt unklar. Dennoch reichte der Strom aus, um von Ulm aus mit Tempo 110 km/h mit einer Zwischenladung und einer verbleibenden Restreichweite von 130 km Heidelberg zu erreichen. Die Unterrichtsmaterialien waren im Bildungszentrum Unterallgäu geblieben, so dass das Fahrzeug auf der Rückfahrt etwas weniger Gewicht hatte. Die Zwischenladung auf 100% wurde übrigens in einem Autohaus vorgenommen, während vor Ort die neuesten E-Fahrzeuge besichtigt werden konnten.

Abschließend lässt sich sagen, dass selbst mit einer mittelgroßen 40 kWh-Batterie und einem Fahrzeug mit relativ hohem Luftwiderstand elektrische Langstrecke auf deutschen Autobahnen möglich ist – zumindest bei mittleren Entfernungen. Dies gilt erst recht für die jetzt auf dem Markt erscheinenden Fahrzeuge mit 60-80 kWh-Batterien und aerodynamischerer Bauweise. Das Schnellladenetz ist zumindest in Deutschlands Südhälfte schon gut ausgebaut, sofern man von 50 kWh ausgeht. Doch derzeit bestimmt ohnehin eher die Regeltechnik im Auto als die Ladestation die Schnelligkeit der Stromladung, und nur sehr wenige Modelle können 100-150 kWh an den neueren Ladesäulen tatsächlich in kürzester Zeit aufnehmen (das Konsortium Ionity baut übrigens derzeit ein Ladenetz mit 350 kWh auf).

Empfehlenswert ist darüber hinaus die App „Plugsurfing“: Sie zeigt einem zwar nur die teilweise extrem teuren weil teilweise zeitbasierten Ladestationen (Kritik des ADAC s. hier), gibt dafür aber in Echtzeit an, welche davon besetzt oder frei sind – eine wichtige Information, wenn man Termine einzuhalten hat. Die App „Next Plug“ zeigt darüber hinaus auch kostenfreie Ladesäulen an, allerdings nicht, ob diese frei sind. Außerdem kann man die Seite „A better Routeplanner“ mit allen möglichen Details für die geplante elektrische Fahrt füttern, wie zum Beispiel Fahrzeugtyp, Ladungsstand zu Beginn der Fahrt, Wettersituation (Wind, Regen), Degradationszustand der Batterie, Zuladung, gewünschter Ladezustand der Batterie am Ziel etc. So bekommt man eine gute Vorstellung von der Route inklusive Vorschlägen fürs Zwischenladen. Auch die Seite „Goingelectric“ bietet einen ähnlichen Service inklusive Höhenprofil der geplanten Fahrt. Nutzfreundlicher und weniger Kompliziert wäre es allerdings, wenn alle diese Angaben direkt im Fahrzeug über das Navigationssystem ermittelt werden könnten, wie es derzeit nur Tesla bietet und sich auch dort bisher nur auf die hauseigenen Supercharger beschränkt.

Das vergleichsweise langsame Fahren wurde als sehr stressarm empfunden, während Staus und Baustellen ohnehin nur selten den Eindruck vermittelten, von allen anderen Fahrzeugen überholt zu werden. Außerdem wurde die ruhige und vibrationsarme Fahrweise des elektrischen Antriebs als wesentlich angenehmer wahrgenommen als das gerade bei höherer Geschwindigkeit laute Dröhnen und Vibrieren eines Verbrennungsmotors.

Ach ja: Treibstoffkosten für 600 km: 0 €.